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Pressekonferenz: Anzahl der Handwerksbetriebe auf Rekordniveau – Klimaberufe gefragt

Bei unserer Jahrespressekonferenz am 1. Februar 2024 standen vor allem die Ausbildungsbilanz und die Handwerkskonjunktur im Blickpunkt. Nachfolgend erfahren Sie alles Wichtige zu beiden Themen.


 

Pressenachricht 005/2024

Ausbildung ist bestes Rezept gegen Fachkräftemangel – Junge Generation interessiert sich für Klima-Berufe im Handwerk

Mit stabilen Ausbildungszahlen haben die Handwerksbetriebe in der Region Stuttgart das vergangene Jahr abgeschlossen. „Trotz kleinerem Jahrgang haben wir wieder über 4.000 neue Ausbildungsverträge. Das Handwerk ist weiterhin der in der Ausbildung engagierteste Wirtschaftszweig“, erklärte Peter Friedrich, Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer Region Stuttgart, am Donnerstag vor der Presse. Der Rückgang von 0,4 Prozent sei minimal, sehr viel mehr Sorge bereiten dem Handwerk die vielen unbesetzt geblieben Ausbildungsplätze. „Die Ausbildungsbereitschaft unserer Betriebe wächst von Jahr zu Jahr, die Zahl der ausbildungsreifen und ausbildungsbereiten jungen Menschen sinkt dagegen.“

Erfreulich sei, dass Klimaberufe wie beispielsweise der Ausbildungsberuf zum Anlagenmechaniker für Sanitär, Heizung und Klima, seit Corona um fast 20 Prozent zugelegt hätten. „Die junge Generation will Verantwortung übernehmen – das ist ein gutes Zeichen.“ Kritik übte Friedrich an der immer noch nicht sichtbaren Bildungswende. „Wir warten und warten und warten, die Politik stellt aber die Gleichwertigkeit von akademischer und beruflicher Qualifizierung nach wie vor nicht her.“ Als wichtigste Stellschrauben bezeichnete er die ergebnisoffene Berufsorientierung an allen Schularten gleichermaßen sowie die auskömmliche Finanzierung der Bildungsstätten des Handwerks.

„Wir werden nicht müde von der Politik einzufordern, in die Qualifizierung der anstehenden Generation von Fachkräften zu investieren. Wir brauchen dafür Bildungshäuser auf dem neuesten Stand, um mit aktueller Technik ausbilden zu können – und das gibt es nicht kostenlos“, betonte Friedrich. „Für die Hochschulen gibt es den Zukunftsvertrag ‚Studium und Lehre stärken‘, für die berufliche Bildung fehlt so ein Investitionsplan.“ Die Handwerksorganisationen benötigen mittelfristige Planungssicherheit, insbesondere für die Finanzierung der beruflichen Bildungsstätten. Erforderlich sei ein für die kommenden Jahre auskömmlicher Finanzierungsrahmen, der eine Unterstützung der stark gestiegenen Kosten für Modernisierungen und Neubauten sicherstelle. „Der Bundeshaushalt 2025 muss spürbar nachlegen, um die Kostensteigerungen im Ausbau auszugleichen“, so der Hauptgeschäftsführer.

Die Zahl der neuen Ausbildungsverhältnisse im Handwerk in der Region Stuttgart ging 2023 um 0,4 Prozent auf 4014 zurück, das sind 15 Lehrverträge weniger als 2022. Über alle Lehrjahre hinweg liegt die Gesamtzahl der Ausbildungsverhältnisse bei 9.684. Die Vertragslösungen und Probezeitkündigungen im Herbst konnten durch die intensive Ausbildungsberatung und -begleitung teilweise kompensiert werden.

Um jungen Menschen einen Einblick in der Welt der Berufe zu ermöglichen, baut die Handwerkskammer auf Berufsorientierung. Erfolgreich gestartet sei im vergangenen Jahr das Projekt Ausbildungsbotschafter. „Damit wollen wir die handwerklichen Ausbildungsberufe für Schülerinnen und Schüler transparent darstellen. Azubis berichten aus ihrem Ausbildungsalltag an Gleichaltrige und werben so für handwerkliche Berufe. Das ist Berufsorientierung und Beratung auf Augenhöhe – und das funktioniert“, bilanziert Friedrich. Auch das Projekt „Werkstatthaus“ lässt praxisorientierte Einblicke in die Welt des Handwerks in der Bildungsakademie der Handwerkskammer zu. Schüler ab der 7. Klasse können selbstständiges, praktisches Arbeiten in den Berufen Schreiner, Friseur, Raumausstatter und Zahntechniker ausprobieren. Als Erfolg bewertete er die Praktikumswochen Baden-Württemberg. Dabei konnten viele junge Menschen in die attraktiven handwerklichen Ausbildungsberufe schnuppern. Als positives Zeichen bezeichnete Kammerchef Friedrich den Zuwachs an Azubis mit ausländischem Schulabschluss um 14 Prozent. „Hier zeigt das Engagement mit dem sogenannten „Kümmerer-Programm“ wie auch durch die verstärkten Einsätze im Übergangsbereich der Beruflichen Schulen Wirkung.“

Wieder attraktiver scheint eine Ausbildung im Handwerk für Abiturienten geworden zu sein. Der Zuwachs bei Azubis mit Abitur oder Fachhochschulreife liegt im vergangenen Jahr bei 6 Prozent. Dagegen nahm die Zahl derer mit mittlerem Schulabschluss um den gleichen Wert ab. Nach wie vor stellen Absolventen der Realschulen das Gros der Azubis mit über 43 Prozent.

Konstant liegt der Anteil weiblicher Azubis im Handwerk bei zirka 20 Prozent. Bei den Top-Ten-Berufen führt wie in den Vorjahren der Kfz-Mechatroniker mit 580 neuen Lehrverträgen. Seit Corona steigt die Zahl der Azubis in dem Gewerk von Jahr zu Jahr, zuletzt um 3,7 Prozent. Die attraktive Ausbildung scheint sich herumzusprechen. Auch die Friseure legen mit einem Plus von fast 7 Prozent neuer Ausbildungsverhältnisse deutlich zu. Auf der Top-Ten-Liste liegt der Anlagenmechaniker SHK auf Platz zwei, gefolgt von den Azubis aus dem Elektroniker-Handwerk und den Friseuren auf Platz vier.

Nach wie vor zeigen Schulabgänger zu wenig Interesse an den Berufen im Bau- und Ausbau- sowie im Nahrungsmittelbereich. „Es ist zur Daueraufgabe geworden, dort die Ausbildungszahlen zu steigern,“ betonte Peter Friedrich. „Auf dem Bau, in Bäckereien und auch in Metzgereien werden leider zu häufig aus den Lehrstellen die sogenannten Leerstellen.“  Die Handwerkskammer versuche nun mit Projekten im Kosovo oder in Indien junge Menschen bei der Ausbildung in einem handwerklichen Beruf zu unterstützen. „Ziel der angeregten Kooperationen ist, in den Herkunftsländern berufliche Bildungsangebote und Fachkräfte partnerschaftlich zu entwickeln und auch qualifizierte Zuwanderung zu organisieren.“


 

Pressenachricht 004/2024

Unternehmertum muss sich auch im Handwerk lohnen – Bundesregierung wird haufenweise Post vom Handwerk erhalten

Eine zweigeteilte Konjunktursituation erlebten die über 32.000 Handwerksbetriebe in der Region Stuttgart im vergangenen Jahr. Während die sogenannten Klimahandwerke sehr stabil am Markt agieren konnten, hat sich die Lage auf dem Bau dramatisch verschlechtert. „Für das angelaufene Jahr sind die Erwartungen eher verhalten“, betonte Rainer Reichhold, Präsident der Handwerkskammer Region Stuttgart, bei der Jahrespressekonferenz am Donnerstag in Stuttgart.

Reichhold forderte von der Politik mehr Planungssicherheit bei wichtigen politischen Weichenstellungen und mehr Engagement für den handwerklichen Mittelstand. Weil die Belastungen ein unerträgliches Ausmaß angenommen haben, ruft er das Handwerk auf, sich stärker einzumischen. „Wir werden zum Beispiel mit Postkarten, die an die Bundesregierung in Berlin adressiert sind, unseren Forderungen nach weniger Steuern, Belastungen und Bürokratie Nachdruck verleihen“, betonte der Kammerpräsident. Das Motto der Aktion „Zeit, zu machen!“ solle die Dringlichkeit des Handelns aufzeigen.

Vor der Presse in Stuttgart wies Rainer Reichhold auf das „Sorgenkind“ Wohnungsbau hin. Durch die gestiegenen Zinsen, die Baumaterial- und Energiepreise sowie die drastischen Kürzungen bei der Neubauförderung durch die Bundesregierung würden die Auftragspolster der Bauunternehmen kontinuierlich abschmelzen. „Die eingebrochene Baukonjunktur im Wohnraumsektor birgt zudem großen sozialen Sprengstoff, weil das Ganze nicht mehr bezahlbar ist. Deshalb brauchen wir ein ganzheitliches Konzept für bezahlbaren Wohnraum, eine verlässliche Förderung und beschleunigte Planungs- und Genehmigungsverfahren. Landespolitik und Bundespolitik sind gleichermaßen gefordert und müssen an einem Strang ziehen.“

Positiv sei, dass die Bauunternehmer bei der Umfrage der Handwerkskammer noch von einem stabilen Personalbestand ausgehen. Über alle Gewerke des Handwerks hinweg sprechen aktuell 60 Prozent der Unternehmer von einer guten Geschäftsentwicklungen in 2023. Rückgänge beim Auftragsbestand und der Umsatzentwicklung wurden allerdings angemerkt. Für das laufende Jahr erwartet ein Drittel der Handwerksunternehmer in der Region Stuttgart eine weniger gute Geschäftslage sowie einen Rückgang bei Umsatz und Aufträgen.

Trotz aller Sorgen um die Konjunkturentwicklung steht die Selbstständigkeit im Handwerk in der Region Stuttgart hoch im Kurs. Zum Jahreswechsel waren 32.044 Betriebe bei der Handwerkskammer registriert, ein neuer Rekordwert. Das sind 2 Prozent mehr als im Vorjahr. „Das ist eine gute Entwicklung, die so bleiben soll. Denn für die anstehenden Betriebsnachfolgen in den nächsten 5 Jahren brauchen wir 7.500 Handwerkerinnen und Handwerker, die in die Verantwortung gehen sollen“, betont Rainer Reichhold, Präsident der Handwerkskammer Region Stuttgart. „Für den Sprung in die Selbstständigkeit und das Unternehmertum brauchen wir aber genau die stimmigen Rahmenbedingungen. Nur dann können wir weiterhin junge Leute motivieren, dass sie gründen oder übernehmen“, erklärte Reichhold. „Unternehmertum und die damit zusammenhängenden Anstrengungen müssen sich lohnen.“

Von den 32.044 eingetragenen Betrieben waren zum Stichtag 31.12.2023 insgesamt 20.486 als meisterpflichtige Betriebe einzuordnen. Die Entwicklung entspricht einem minimalen Rückgang von 170 Betrieben gegenüber dem Vorjahr. Der Bestand der zulassungsfreien Betriebe stieg dagegen auf 8.007 und weist damit einen Zuwachs von 711 Mitgliedsbetrieben aus. Bei den handwerksähnlichen Gewerken sind 3.551 Betriebe eingetragen. Das Plus liegt bei hier 100 Anmeldungen. Bemerkenswerte Zuwächse gab es 2023 im Bereich des Gebäudereiniger-Handwerks, der Friseure sowie der Zweiradmechaniker. Auch die Klima- und Energiegewerke sind wachsen weiter. So wurden im Elektrotechniker-Handwerk 47 Betriebe in der Region 2023 neu gegründet.